Silke Emmrich, geb. Schwarz


selbstständig als Garten- und
Landschaftsplanerin


Projektkoordination MentorING, Fachhochschule Osnabrück

Deutsche Meisterin im Degen, Florett und Säbel (Klasse A)


www.frauenbuero.fh-osnabrueck.de/

www.malgaertner.de/

 

Das Interview im Wortlaut

Frau Emmrich, empfinden Sie sich als starke Frau?

Ich weiss, dass ich auf andere Leute stark wirke. Ich selbst empfinde mich im Grunde als schwach.
Das hängt nicht nur damit zusammen, dass ich mit der Körperbehinderung, mit der Querschnittslähmung und chronischen Schmerzen zu tun habe und mich dann auch als schwach und zerbrechlich empfinde, gepeinigt auch. Im Beruflichen, im Zwischenmenschlichen ist es immer wieder so, dass ich immer wieder mit meinem eigenen Unwissen und Unvermögen konfrontiert werde. Aber letztendlich weiß ich, dass ich viele tolle Gaben mitbekommen habe und Talente, und es liegt an mir, da etwas daraus zu machen. Ich empfinde mich manchmal als stark, aber das liegt daran, dass ich weiß, dass Gott es ist, der mich stark macht und der mir durch alles hindurchhilft.

Ihre Eltern haben Sie bei allen ihren Vorhaben unterstützt?

Ich habe natürlich nicht immer dasselbe gewollt für mein Leben wie meine Eltern; aber letztendlich haben sie immer hinter mir gestanden, mich unterstützt, mich gut beraten, mich gut vorbereitet aufs Leben, mich immer begleitet, mich unterstützt - nicht nur finanziell sondern auch menschlich. Und sie sind mir als Einzelperson und als Ehepaar ein gutes Vorbild.

Sie sind Mentorin im Frauen und Gleichstellungsbüro der Fachhochschule Osnabrück?

Im Gleichstellungsbüro habe ich mich zum ersten Mal mit "Gender Mainstreaming" und Frauenförderung und Gleichstellungspolitik beschäftigt. Ich hatte vorher auch schon im Zusammenhang mit Barrierefreiheit mit Gleichstellung zu tun und dem Gleichstellungsgesetz. Hier im Frauen- und Gleichstellungsbüro habe ich gelernt, dass Frauenpolitik nichts mit "Emanzentum" zu tun hat, sondern dass die Frauen, die für andere arbeiten und sich für andere einsetzen, durchweg positiv und konstruktiv und kreativ und mit Freude ihren Job machen. Und dass dieser Job auch sehr wichtig ist, weil es tatsächlich oft so ist, dass Frauen aus irgendwelchen Gründen den kürzeren ziehen, was Karriere betrifft oder Beruf, manchmal auch schon in der Ausbildung, weil sie letztendlich schauen müssen, wie sie Familie und Karriere oder eben geschlechtsspezifische Entscheidungen unter einen Hut bringen müssen. Und ich finde es sehr gut, dass es solche Projekte wie z.B. MentorING gibt und auch sehr gut, dass es Frauenförderung gibt und Gleichstellungspolitik. Von daher ist es nicht so, dass Männer in irgendeiner Weise benachteiligt werden, für die gibt es auch entsprechend Programme und die werden genauso unterstützt und beraten wie Frauen auch.

Sie waren aktive und sehr erfolgreiche Hochleistungssportlerin?

Seit 2000 fechte ich nicht mehr aktiv, ich werde vielleicht irgendwann wieder anfangen. Zweimal die Woche gönne ich mir Physiotherapie, je nachdem auch Muskelaufbau und Massage, weil ich das einfach brauche, um halbwegs fit zu bleiben.

Haben Sie einen Tipp für Frauen, wie sie sich als Hochleistungssportlerin durchsetzen können?

Unsere Bundestrainer, Landestrainer und die Trainer, die ich privat auch nutzen durfte, die haben mir viel Gutes getan und bei denen habe ich viel gelernt. Dann hängt das eigene Engagement damit zusammen: Wie viel trainiere ich? Will ich wirklich gewinnen? Ja, das letzte Quäntchen ist dann einfach die Tagesform, wie man mit dem Gegner zurecht kommt, den man gerade hat und natürlich der große Mentor, den man nicht sehen kann, der tut dann auch noch etwas dazu. Und wenn dann alles passt – dann gewinnt man.

Wie war Ihr und ist normalerweise der Werdegang bis zum Hochleistungssport?

Der normale Werdegang ist eben, dass man aus dem Kinder- und Jugendsport im Breitensportbereich gefördert wird, wenn man Talent hat und sich langsam "empor schafft" sozusagen. Aus Landesebene, Bundesebene bis zu der Nationalmannschaft. Erst Nachwuchs und dann eben Erwachsene. Bei mir war das anders: im Rollstuhlfechten gibt es nationalweit nur gut vierzig Leute, die das betreiben. Die Nationalmannschaft umfasst fünfzehn Leute. Ganz kurz nur bin ich zum Schnuppern hineingegangen und habe dann gleich Leistungssport gemacht und war dann gleich auf nationaler Ebene. Und von der nationalen Ebene war ich gleich ruckzuck auch auf der internationalen Ebene. Das ist in anderen Sportarten sehr viel langwieriger und schwieriger, sich gegen eine viel größere Konkurrenz durchzusetzen.

Was freut Sie besonders und was ärgert Sie besonders?

Was mich besonders freut im beruflichen Bereich, ist, wenn Sachen sich gegenseitig befruchten, wenn sie im Fluss sind und einfach "fluppen". Und im zwischenmenschlichen und christlichen Bereich freue ich, wenn ich anderen Menschen etwas Positives mitgeben kann auf ihrem Lebensweg. Dann denke ich, mein Leben hat einen Sinn und das freut mich besonders. Am meisten ärgern kann ich mich über mich selber, wenn ich mich mal wieder austrickse oder meine Pläne durcheinander schmeiße, einfach, weil ich zu faul bin oder weil ich nicht "aus dem Quark komme" oder weil es mir nicht gut genug geht, um all das zu schaffen, was ich gerne schaffen würde. Ich muss immer wieder in Geduld mich üben, ich bin ein eher ungeduldiger Typ. Ich muss lernen, auch mit kleinen Schritten zufrieden zu sein bzw. auch konsequent zu sein und meine Sachen wirklich auch abzuspulen, so wie ich mir das vorgenommen habe. Ich nehme mir schnell zu viel vor.
Und bei anderen ärgere ich mich darüber, wenn sie gedankenlos sind, wenn sie Leute in Schubladen stopfen, mich als Körperbehinderte so behandeln als wäre ich mehrfach geistig behindert und einfach den höflichen Umgang mit ihrer Umwelt vergessen, manchmal auch mir gegenüber. Wenn wir wenig verantwortungsvoll mit uns Menschen umgehen miteinander. Ich versuche das möglichst gut in meinem Leben hinzubekommen, was mir auch oftmals nicht gelingt. Aber insgesamt empfinde ich die Entwicklung in unserer Gesellschaft, in Deutschland und weltweit schon als sehr bedenklich.

Barrierefreiheit ist interdisziplinär?

Barrierefreiheit ist interdisziplinär und ganzheitlich und nachhaltig und betrifft uns alle letztendlich, weil jeder von uns gehindert oder behindert in irgendeiner Form. Es erstreckt sich in alle Lebensphasen und eben auch in alle Fachbereich hinein, beruflich gesehen. Wie jemand arbeiten kann, wie jemand wohnt und wie jemand seine Freizeit gestaltet. Wenn dort Barrieren auftauchen im zwischenmenschlichen Bereich, das heißt in den Köpfen, in der Kommunikation, im Verhalten, dann schlagen die sich letztendlich auch in einer gebauten Umwelt nieder und das bedeutet letztendlich, dass ich irgendwo nicht hinkann, nicht hereinkann oder etwas nicht nutzen kann.
Das alles hängt zusammen.

Wie sind Ihre Zukunftspläne?

Demnächst bin ich nicht mehr alleine, sondern werde mit Mann und Hund durchs Leben gehen und wer weiß, was sich noch alles einstellt, das hat man ja letztendlich doch nicht in der Hand.
Ich werde weiter arbeiten, ich werde an Büchern mitschreiben, ich werde weiter versuchen, barrierefreie und christliche Botschaften in die Welt zu senden, positive und ich lass mich auch selber überraschen. Letztendlich weiß ich, wie viele Überraschungen im Leben passieren können, und ich bin sicher, es kommen noch einige.

Vielen Dank für das Gespräch.



Das Interview führte Sonia Wohlfarth Steinert 2003